Eine Antwort auf Herrn Bumanns Kritik zu “Faust”
Leserbrief zur Opernkritik: „Die Angst der Putzfrau beim Wischen“ von U. Bumann im General Anzeiger Bonn vom 15.04.08 auf Seite 15:
Die Kritik des Herrn Bumann zur Opernpremiere von Gounods „Faust“ können wir nicht unwidersprochen stehen lassen, da wir einen ganz anderen Eindruck mitgenommen haben.
Die musikalischen und sängerischen Leistungen sehen wir auch als absolut hervorragend an, aber auch die schauspielerischen Fähigkeiten von Solisten und Chor und die gesamte Inszenierung hat uns außergewöhnlich beeindruckt. Gerade der Bezug zur Gegenwart hat uns sehr betroffen gemacht, zeigt er doch wie zeitlos, wie allgemein-menschlich die Thematik von Goethes „Faust“ gesehen werden kann oder gar muss. Wir finden, dass Frau Nemirova dies in ihrer Inszenierung ganz besonders gut zum Ausdruck gebracht hat. Dass man bei einem Soldatenmarsch nicht nur an Sieg und Triumph, sondern auch an die Gräuel der Kriege, an Soldatensärge, Kriegerwitwen und Kindersoldaten denkt, scheint uns nicht „wunderlich“, wie Herr Bumann schreibt, sondern eher zwangsläufig und geradezu notwendig. Die kalte Skrupellosigkeit eines Mephisto erinnert doch sofort an gewisse Machenschaften einiger gegenwärtiger, geld- und machtgieriger Manager in Wirtschaft und Politik. Die soziale (und kirchliche) Ausgrenzung und Verurteilung, die Margarete als verlassene Geliebte und Mutter eines unehelichen Kindes erfährt, trifft auch heute noch viele Frauen in vielen Gesellschaften (bis hin zum „Ehrenmord“). Dass junge Mütter – wie Margarete – in ihnen ausweglos erscheinenden Situationen ihre Neugeborenen abgeben (Babyklappe), sterben lassen, oder gar umbringen, ist leider gar nicht so selten in der Zeitung zu lesen. Das schreckliche, schockierende Bild der Kinderleiche in der Tiefkühltruhe ist ja leider keine Erfindung der Regisseurin, sondern ein Bild aus unserer Gegenwart.
Gounods „Faust“ gerade nicht als „große romantische Liebesoper“ zu verklären, sondern als sehr gebrochene, widersprüchliche, allgemeinmenschliche Thematik und Tragödie zu zeigen – und den aktuellen Bezug zu gegenwärtig ähnlichen Problemen herzustellen, ist für uns eine große und gelungene Leistung der Regisseurin und des gesamten Opernensembles. Ihnen möchten wir auf diesem Wege für einen unserer eindrucksvollsten Opernabende danken.
Gesa Hamkens-Schulze
Hans-Christian Schulze
Rheindorfer Str. 53
53225 Bonn